Was ist eine Conjoint-Analyse?
Mithilfe von Conjoint-Analysen (Zusammensetzung aus den Begriffen „consider“ und „jointly“) können Hersteller und Dienstleister neue sowie zu überarbeitende Produkte oder Dienstleistungen am Kundennutzen orientieren. Es handelt sich um ein multivariates Analyseverfahren der Marktforschung, dem das additive Nutzenmodell zugrunde liegt. Demzufolge setzt sich der Gesamtwert eines Produkts aus den Nutzwerten seiner einzelnen Produktmerkmale und Merkmalsausprägungen zusammen.
Gründe für eine Conjoint-Analyse
Conjoint-Analysen sind relevant für eine Vielzahl an Bereichen der Wirtschaft, darunter:
- die Produktgestaltung
- die Markenbewertung
- die Marktsegmentierung
Hersteller verwenden ihre Analyseergebnisse, um Produkte anzupassen und so den Nutzen für Kunden sowie die damit einhergehende Kaufwahrscheinlichkeit zu maximieren. Jedes Produkt setzt sich aus mehreren, jeweils unterschiedlich stark ausgeprägten Attributen zusammen – oftmals sind kleine Details entscheidend für einen Kaufabschluss. Erfahren Produkthersteller durch eine Conjoint-Analyse, welche Merkmale den Nutzern zusagen bzw. nicht zusagen, können sie ihr Produkt dementsprechend modifizieren.
Weiterhin wird die Conjoint-Analyse zur Preisbildung eingesetzt. Mithilfe der vorgesehenen Befragungstechnik kann indirekt ermittelt werden, welchen Preis potenzielle Kunden bereit wären für das entsprechende Produkt zu zahlen.
Wie läuft eine Conjoint-Analyse ab?
Eine fundierte Conjoint-Analyse besteht aus mehreren aufeinander abgestimmten Schritten – von der Auswahl geeigneter Merkmale und der Erstellung eines Fragebogens bis zur statistisch validen Auswertung und Interpretation. Ziel ist es, realitätsnahe Entscheidungsprozesse zu simulieren, um daraus präzise Rückschlüsse auf Kundenpräferenzen zu ziehen.
1. Auswahl von Attributen und Ausprägungen
Zu Beginn der Analyse stehen die konzeptionelle Planung und die Auswahl relevanter Produkt- oder Dienstleistungsmerkmale (Attribute). Diese sollten:
- kaufentscheidungsrelevant sein (z. B. Preis, Funktion, Marke),
- verständliche Ausprägungen haben (z. B. konkret, realitätsnah benannt),
- sich gegenseitig unabhängig beeinflussen (keine inhaltliche Überschneidung).
Die Anzahl der Attribute sollte zwischen 4 und 7 liegen, mit je zwei bis vier Ausprägungen, um kognitive Überforderung bei der Bewertung zu vermeiden. Die Merkmalsausprägungen werden anschließend in Kombinationen gebracht, aus denen einzelne Produktprofile entstehen.
Beispiel:
Merkmale | Ausprägung 1 | Ausprägung 2 | Ausprägung 3 |
---|---|---|---|
Behältnis | Glasflasche | Plastikflasche | Kartonverpackung |
Inhaltsstoffe | regional | vegan | nicht vegan |
Preis | 2,30 Euro | 1,80 Euro | 1,30 Euro |
→ Ein mögliches Profil: „Veganes Getränk in Kartonverpackung für 1,80 €“.
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2. Erstellung realistischer Profile und Auswahlmengen
Aus den Merkmalen entstehen durch Kombination vollständige Produktprofile. Bei drei Attributen mit je drei Ausprägungen ergibt sich bereits ein Designraum von 27 (3×3×3) Profilen. Bei fünf Attributen mit je drei Ausprägungen wären es 243 – zu viele für eine einzelne Befragung.
Um diesen Aufwand zu reduzieren, wird meist ein Fractional Factorial Design verwendet:
- Nur ein sinnvoller, statistisch ausgewogener Teil der möglichen Kombinationen wird gezeigt.
- Die Auswahl erfolgt so, dass alle Ausprägungen gleich häufig vorkommen und sich unabhängig voneinander bewerten lassen.
Zudem sind nicht plausible Kombinationen auszuschließen (z. B. „Premium-Produkt mit Billigverpackung und Höchstpreis“). Auch eine Randomisierung der Reihenfolge der Merkmalspräsentation erhöht die Ergebnisqualität.
3. Befragung der Zielgruppe
Nun gilt es, die Produktprofile in ein Befragungsdesign zu überführen, das zu den Zielpersonen und zur geplanten Auswertungsmethode passt. Gängige Formate:
- Choice-Based Conjoint (CBC): Die Befragten wählen aus Sets mit je 2–5 Produktprofilen ihre bevorzugte Variante. Diese Form ist realitätsnah und weit verbreitet.
- Ranking-Verfahren: Alle Produktprofile werden in eine Präferenzreihenfolge gebracht.
- Rating-Verfahren: Jedes Profil wird individuell auf einer Skala bewertet (z. B. 1–7).
Bei CBC-Studien sollte die Anzahl der Sets pro Person 8–12 nicht übersteigen. Bei größeren Designs wird der Fragebogen randomisiert auf Teilgruppen verteilt (Design-Blocking). Optional lässt sich ein „keine der Optionen“-Button integrieren, um eine realistischere Kaufentscheidung zu ermöglichen.
4. Erhebung & Datenvalidierung
Die Befragung kann online (z. B. per Qualtrics), persönlich oder im Labor stattfinden. Wichtig für valide Ergebnisse sind:
- eine repräsentative Zielgruppe,
- vollständig ausgefüllte Fragebögen,
- und eine ausreichende Fallzahl (mind. 100–200 je Zielsegment).
Vor der Hauptstudie empfiehlt sich ein Pretest, um zu prüfen, ob die Aufgaben verstanden werden und die Profile korrekt interpretiert werden.
Conjoint-Analyse-Praxisbeispiel: Smartphone-Kaufentscheidung
Ein Marktforschungsteam analysiert die Kaufentscheidung für ein Smartphone. Die definierten Attribute und Ausprägungen:
Attribut | Ausprägung 1 | Ausprägung 2 | Ausprägung 3 |
---|---|---|---|
Kameraqualität | 12 MP | 48 MP | 108 MP |
Akkulaufzeit | 1 Tag | 1,5 Tage | 2 Tage |
Preis | 399 € | 499 € | 599 € |
Teilnehmende wählen aus mehreren Sets ihr bevorzugtes Gerät. Die Analyse zeigt:
- Akkulaufzeit hat den größten Einfluss auf die Entscheidung (45 %),
- gefolgt von Kamera (35 %) und Preis (20 %).
Auswertung einer Conjoint-Analyse
Das Ziel der Auswertung besteht darin, zu bestimmen, wie stark jede Merkmalsausprägung die Kaufentscheidung beeinflusst. Dafür werden sogenannte Teilnutzenwerte (Utilities) berechnet. Diese zeigen, welchen Beitrag eine bestimmte Eigenschaft – etwa „Kamera: 108 MP“ – zur Gesamtbewertung eines Produkts leistet.
Die Analyse erfolgt dekompositionell: Die Gesamtentscheidungen der Teilnehmenden werden in ihre Einzelbestandteile aufgeschlüsselt. So lässt sich ermitteln, welchen Einfluss jedes Attribut auf die Wahlentscheidung hatte.
Eine große Spannweite der Nutzenwerte innerhalb eines Merkmals deutet auf hohe Relevanz für die Entscheidung hin.
Beispiel: Relative Wichtigkeit von Attributen
Attribut | Relative Wichtigkeit |
---|---|
Akkulaufzeit | 45 % |
Kameraqualität | 35 % |
Preis | 20 % |
→ In diesem Fall hat die Akkulaufzeit den größten Einfluss auf die Produktwahl.
Methoden zur Berechnung der Teilnutzen
Je nach Studiendesign kommen unterschiedliche statistische Verfahren zum Einsatz:
- Hierarchical Bayes (HB): geeignet für individuelle Nutzenmodelle bei CBC
- Logit-Modelle: zur Berechnung von Wahrscheinlichkeiten bei Auswahlaufgaben
- OLS (Ordinary Least Squares): bei Rangfolgen oder Bewertungsskalen
Mögliche Analysen auf Basis der Ergebnisse
Die Teilnutzenwerte ermöglichen verschiedene Anwendungsszenarien:
- Veränderungen einzelner Merkmale lassen sich mit Blick auf Kaufwahrscheinlichkeiten simulieren.
- Unterschiedliche Produktkonfigurationen können hinsichtlich ihres Marktpotenzials verglichen werden.
- Preiselastizitäten lassen sich modellieren und für strategische Entscheidungen nutzen.
Qualitätssicherung der Ergebnisse
Um die Aussagekraft der Analyse zu überprüfen, bieten sich verschiedene Validierungsmethoden an:
- Holdout-Aufgaben: Zusätzliche Produktprofile dienen zur Prüfung der Vorhersagequalität.
- Korrelationen: Der Abgleich zwischen prognostizierten und tatsächlichen Entscheidungen zeigt, wie gut das Modell die Realität abbildet.
Eine gut validierte Auswertung liefert verlässliche Grundlagen für datenbasierte Entscheidungen in Produktentwicklung, Marketing und Vertrieb.
Weitere Formen der Conjoint-Analyse
Neben dem klassischen Conjoint-Ansatz (häufig als Full-Profile Conjoint oder Choice-Based Conjoint (CBC) umgesetzt) existieren mehrere spezialisierte Varianten, die je nach Studiendesign, Zielgruppe und Analyseziel zum Einsatz kommen. Sie unterscheiden sich vor allem in der Art der Aufgabenstellung und in der Art, wie Daten erhoben und ausgewertet werden.
Choice-Based Conjoint (CBC) – Standardvariante
Die meistverwendete Variante: Teilnehmende wählen in mehreren Durchgängen jeweils eine bevorzugte Option aus einem Set von Produktprofilen. Diese Methode simuliert eine reale Kaufentscheidung am besten und erlaubt präzise Prognosen über Marktanteile.
Einsatzgebiete: Preis- und Produktstrategien, Markenentscheidungen, Angebotsgestaltung
Vorteile: hohe Realitätsnähe, etablierter Standard, robuste Datenbasis
Nachteile: höhere Anforderungen an Stichprobengröße und Befragungsdesign
Maximum Difference Scaling (MaxDiff)
Bei dieser Methode geben Befragte an, welche Ausprägung innerhalb eines Sets sie am besten und am wenigsten bevorzugen. Ideal, wenn einzelne Merkmale oder Nutzenversprechen verglichen werden sollen – zum Beispiel bei der Priorisierung von Leistungsmerkmalen oder Claims.
Einsatzgebiete: Nutzen-Rankings, Bedürfnisanalysen, Verpackungskommunikation
Vorteile: intuitive Beantwortung, hohe Differenzierungskraft, robust bei vielen Items
Nachteile: kein vollständiges Produktprofil, eingeschränkte Interaktionseffekte
Adaptive Conjoint Analysis (ACA)
ACA passt sich dynamisch an die bisherigen Antworten der Teilnehmenden an. Die nächsten Fragen werden individuell generiert, was die Zahl der benötigten Aufgaben deutlich reduziert. Dabei werden nicht komplette Produktprofile, sondern gezielte Kombinationen einzelner Attribute bewertet.
Einsatzgebiete: komplexe Produkte mit vielen Attributen, B2B-Umfelder, technische Produkte
Vorteile: schont die Respondenten, individualisiert, gut bei vielen Attributen
Nachteile: eingeschränkte Realitätsnähe, komplexere Auswertung
Hybrid Conjoint und Adaptive Choice-Based Conjoint (ACBC)
Hybridverfahren kombinieren klassische Befragung mit interaktiven Elementen – etwa eine Vorbewertung von Ausprägungen, gefolgt von Auswahlentscheidungen. Besonders ACBC (Adaptive Choice-Based Conjoint) ist beliebt: Es verbindet die Vorteile von CBC (realistische Entscheidungen) und ACA (adaptive Steuerung).
Einsatzgebiete: Produktkonfiguration, individualisierte Angebote, komplexe Konsumgüter
Vorteile: hohe Datenqualität, realistisch UND effizient
Nachteile: aufwendiger Fragebogen, höhere technische Anforderungen
Welches Verfahren ist das richtige?
Methode | Realitätsnähe | Komplexität | Für viele Attribute geeignet | Gut für Präferenz-Rankings |
---|---|---|---|---|
CBC | hoch | mittel | begrenzt | mäßig |
MaxDiff | mittel | gering | sehr gut | sehr gut |
ACA | gering | hoch | sehr gut | mäßig |
ACBC | hoch | hoch | gut | gut |
Die Wahl des Verfahrens hängt von Zielstellung, Datenumfang, Komplexität des Produkts und Befragungskanal ab. Moderne Tools wie Qualtrics ermöglichen die flexible Umsetzung mehrerer Methoden – auch in Kombination.
Conjoint-Analyse – Vorteile und Nachteile des Marktforschungsinstruments
Die Conjoint-Analyse wird in ihren Grundzügen für einen Großteil aller Marktforschungsstudien eingesetzt und bringt einige Vorteile wie Nachteile mit sich.
Vorteile der Conjoint-Analyse
- Optimierung des Produkts/der Dienstleistung: Die exakte Berechnung der Teilnutzenwerte einzelner Produktmerkmale ermöglicht Herstellern die Gestaltung nützlicher Produkte, angepasst an konkrete Wünsche und Bedürfnisse der Kunden.
- Nutzerfreundliche Befragungstechnik: Zwar variieren Conjoint-Analysen in ihren Abläufen, die grundsätzliche Befragungstechnik gilt jedoch als äußerst nutzerfreundlich und kann angewendet werden, ohne Ermüdungserscheinungen der Probanden zu riskieren.
- Realitätsnahe Methode: Durch die Vorlage verschiedener Produktprofile beziehungsweise bereits realisierter Produkte wird eine nahezu realistische Einkaufsszene simuliert. Die Entstehung von Mustern während der Befragung kann dadurch weitestgehend ausgeschlossen werden.
Nachteile der Conjoint-Analyse
- Eingeschränkte Auswahl: Trotz Realitätsnähe der Befragungssituation bleibt Probanden eine Option verwehrt – eine Nicht-Auswahl (beziehungsweise ein simulierter „Nicht-Kauf“) ist durch die Bildung einer Rangfolge der Produktprofile nicht möglich.
- Eingrenzung der Merkmale: Um die Nutzerfreundlichkeit der Befragung zu gewährleisten, müssen im Aufbau einige Einschränkungen hingenommen werden. So gilt es, sowohl die Kombinationsmöglichkeiten von Merkmalen und Ausprägungen als auch die vollständigen Produktprofile in ihrer Anzahl zu reduzieren.
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